· Therapeutisches Erstgespräch ·

Es ist schon eine merkwürdige Situation. Da treffen zwei Menschen aufeinander, die sich bisher noch nie gesehen haben. Im besten Fall gab es vorher ein kurzes Telefonat, manchmal jedoch nur ein E-mail-Austausch zwecks Terminvergabe. Und obwohl es noch keinerlei Beziehung zueinander gibt, geht es um sehr Persönliches, manchmal nie zuvor Erzähltes. Es geht um Ängste, die einen jeden Lebensmut verlieren lassen, um nicht verheilte Verletzungen oder traumatische Erfahrungen, die vielleicht benannt, jedoch nicht gespürt werden können. Also um Gefühle der Verzweiflung und Verunsicherung, die so stark sind, dass zentrale Lebensbereiche wie Arbeit oder Partnerschaft nicht gelebt werden können. 

Viele Patienten nehmen das erste Mal professionelle Hilfe in Anspruch und sind dementsprechend aufgeregt. Manche Menschen schämen sich, haben die Sorge, nicht ernst genommen oder nicht verstanden zu werden. Das kann ich gut verstehen, auch ich bin jedes Mal gespannt, wenn ein Patient zum ersten Mal zu mir kommt. Das ist nach all den Jahren geblieben. Ich bin neugierig auf den Menschen, der mir gegenüber sitzt und auf seine Geschichten. Dennoch ist es für mich wahrscheinlich leichter, denn ich bin sowohl mit der Situation als auch mit meiner Praxis vertraut. Das ermöglicht mir, ganz beim Gegenüber zu sein und mich einzulassen. 

Es ist schwer zu erklären, warum, aber es passiert oft Erstaunliches während dieses blinden Treffens, welches der Anfang sein kann, bisher Erlebtes anders zu sehen.