Wieder einmal verbringe ich die Herbstferien auf meiner Lieblingsinsel Lanzarote. Und obwohl ich schon so oft hier war, bin ich immer wieder beeindruckt, wie viel Schönheit, Ästhetik und kreative Wandlung hier zu finden ist, nachdem fast ein Viertel dieser kleinen Insel mitten im Atlantik vor knapp 300 Jahren zerstört wurde. Zerstört durch jahrelange Vulkanausbrüche, die sich knapp 100 Jahre später noch einmal wiederholen sollten. Die endlosen schwarzen Lavafelder und eruptiven Gesteinsformationen lassen erahnen, wie groß die Bedrohung zur damaligen Zeit gewesen sein muss. Lavaströme, Ascheregen, Gesteinsbrocken, die durch die Luft geschleudert wurden und Häuser wie Menschen unter sich begruben. Angst und Ohnmacht angesichts dieser vernichtenden Kraft müssen immens gewesen sein!
Und doch ist den Menschen hier gelungen, Neues und Schönes zu erschaffen – ohne dabei das Erlebte zu leugnen. Einmalig, wie der Künstler César Manrique zerstörte Landschaften der Insel mit seiner Kunst und seinem Sinn für Ästhetik umgestaltet hat.
Eine neu gedachte Architektur, im Einklang mit Natur und Landschaft, das Erlebten – das Trauma – integrierend. So entstanden wunderbare Orte, an denen diese besondere Atmosphäre zu spüren ist. Beispielsweise ein Lavatunnel, den der Künstler durch das Spiel aus Licht, Wasser und dunklem Stein in ein begehbares Kunstwerk umgewandelt hat.
Ein anderes Beispiel für die Resilienz der damals Überlebenden ist das Weinanbaugebiet La Geria. Die Menschen entwickelten eine enorm kreative Methode des Weinanbaus – mitten in der Lavawüste! Kreisrunde Krater wurden ausgehoben, in deren Mitte noch heute jeweils eine einzelne Weinrebe wächst. Endlose Felder dieser Weintrichter schaffen eine Landschaft von unbeschreiblicher Schönheit und Landschaftgeometrie. In den sechziger Jahren hat das MoMA in New York diese Landschaft zum Gesamtkunstwerk erklärt. “Engineering without Engineers” (Ingenieurkunst ohne Ingenieure).
Egal, wie häufig ich durch diese Landschaft fahre, immer berührt mich dies auf tief emotionale Art. Es ist ein wunderbares Beispiel dafür, was Menschen aus Schicksalsschlägen, Verlusten oder anderen Traumata (er-)schaffen können. Offenbar ist es möglich, Krisen nicht bloß zu überwinden, sondern etwas entstehen zu lassen, das weit über das Ursprüngliche hinausgeht. Ermutigend und tröstlich zugleich!